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ACCM Schwinn U.
Geschrieben (bearbeitet)

Nach einigen vorbereitenden Messungen und Beiträgen ( u.a. Federung einstellen, Federkonstanten der Federn im Federtopf, Schwingarmmaße) schließe ich jetzt das Thema ab. Weil ich mein Ziel, die Entenfederung quantitativ zu erfassen und zu verstehen, erreicht sehe.

 a) Stellung der Schwingarme.

Wieder starte ich mit der technischen Zeichnung, die ich schon mal verwendet hatte für die Bestätigung der Messungen der Schwingarmlängen.

1fed.jpg

Mich interessiert zuerst, welchem Zustand die Stellung der Schwingarme entspricht.

Vom Federtopf her sollte es die Situation bei hängenden Rädern sein, denn die Federn sind völlig entspannt.

Es fällt zuerst auf, dass zwei Chassisteile weggeschnitten sind und die Spannstangen einen Versatz zeigen.

Erst bestimme ich mit Hilfe bekannter Chassismaße exakt die Breite fehlenden Streifen. Schnibble die Zeichnung auseinander, ziehe die 3 Teile auseinander und klebe sie auf ein zweites Blatt.

2fede.jpg

Jetzt ist der Versatz der Spannstangen weg. Dann zeichne ich die Räder maßstäblich ein.

2,85cm Radius wegen des 1:10 Maßstabs. Und es ergibt sich der Fußboden, der an den Reifen anliegt

3fede.jpg

Der Radstand ist perfekt 24cm. Alles passt. Dann messe ich in diesem Bild die Bodenfreiheiten vorn und hinten unter dem Chassis. Und sehe, dass die Werte genau denen einer leeren AZ entsprechen. Ich weiß jetzt:

Die Schwingarmstellung ist die einer auf dem Boden stehenden leeren Ente.

Mit dem Manko, dass die Federn im Topf nicht komprimiert gezeichnet sind.

 

Und ich kann so Winkel und Strecken ablesen, was am „lebenden Objekt“ sehr schwierig sein kann.

Weil ich an der Ente auch die Bodenfreiheiten bei Beladung gemessen habe, kann ich über diese Zeichnung auch auf die Richtung der Schwingarme in diesem Zustand schließen. Hier ein Beispiel.

4fede.JPG

b) Kräfte und ihre Momente.

 

Basics:

 

Jeder Schwingarm unterliegt einem Paar von Kräften, gelbe Pfeile.

5hintenduo.jpg

6vornduo.jpg

Diese sind zum einen erzeugt von der Spannstange, die die Ente anheben will, mit dem kurzen roten Arm.

Und zum anderen erzeugt vom Gewicht, das die Ente absacken lassen will, mit dem langen roten Arm.

Für die Berechnung der Drehmomente (Kraft mal wirksame Armlänge) nimmt man die ganze Kraft und vom Arm die „violette“ Projektion auf die Richtung quer zur Kraft.

 

Der Schwingarm regelt sich so ein, dass die links- und rechtsdrehenden Momente sich gegenseitig aufheben.

Also F1 x p1=F2 x p2.

c) Hebelfaktoren ( Kraftübersetzung) der Schwingarme:

Die Hebelfaktoren f =p2/p1 der Schwingarme variieren je nach deren Stellung.

Am hinteren Schwingarm:

Die Armlänge (rot) vom Achsdrehpunkt bis zur Messerschneide ist immer 11,7cm.

Man liest bei der leeren Ente p1= 9,8cm und p2=40,6cm ab. (Alternativ kann man den Cosinus des Winkles zwischen Arm und Projektion benutzen.)

Das ergibt den Hebelfaktor fhi=40,6/9,8=4,14 bei leerer Ente.

Jetzt kann man den Schwingarm um ca 16° weiterdrehen, wieder die Projektionen messen und sieht: Der Hebelfaktor hat sich zu 3,9 vermindert.

Ich rechne also mit dem Hebelfaktor des hinteren Schwingarms fhi=4,14      bei leerer Ente und 3,9 voll beladen.

Am vorderen Schwingarm:

 

Analoges Ablesen der Projektionen ergibt bei der leeren Ente

fvo=39/11,7=3,33.

Daran ändert sich nix Nennenswertes bei Drehung des Schwingarms.

Also Hebelfaktor des vorderen Schwingarms fvo=3,33.

 

 

 

c) Tragkraft der Federung:

Die komprimierten Federn im Federtopf halten über die Spannstangen die Ente auf Höhe. Ohne diese würden die Schwingarme komplett „die Grätsche“ machen bis auf die Puffer.

Man erwartet vorab, dass die Federung das Gewicht der Ente trägt, oder?

 

 

Die Kraft einer Spannstange ist durch deren Auszug bestimmt, der gleich der Kompression der Feder ist. Nach dem Hookegesetz ist diese Kraft =Federkonstante mal Auszug der Spannstange.

Die Federkonstante einer Feder vorn Dvo=1200N/cm und hinten Dhi=1600N/cm hatte ich vorab ermittelt.

Und die Auszüge auch mehrfach. Nagelt mich bitte nicht auf den Millimeter fest, denn gemessen habe ich ohne Ausbau der Reibungsdämpfer. Deshalb variieren die Werte  halt was an dem mittlerweile 64 Jahre alten Objekt:

            Auszug Spannstange               vorn        hinten

             –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

            Normalstellung, leer              3,2cm         2,1cm

            Max. regulär beladen            4,0cm         5,0cm.

 

Wieviel trägt die Federung an jedem Rad?

 

Die Tragkraft einer Feder im Topf ist die gleichgroße Gegenkraft zu F2. Denn der Fußboden drückt mit dieser Kraft das Rad nach oben.

Und  F2 ergibt sich nach den Formeln oben zu

F2=F1 x p1/p2= F1/ f.

Also Tragkraft = Federkonstante mal Auszug der Spannstange/ Hebelfaktor.

 

Macht z.B. für vorn, Ente leer:

Tragkraft F2=1200Nx3,2/3,33= 3840N/3,33= 1153N= 115,3kg. (gerundet 10N=1kg)

 

 

Solche Rechnungen erzeugen diese Tabelle, in die ich zusätzlich (mit Hintergedanken) die Radlast= Hälfte der Achslast und den Unterschied der beiden Werte eingetragen habe:

 

 

Situation        vorn, leer          vorn beladen        hinten, leer        hinten, beladen

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Achslast         281kg                340kg                    213kg                 460kg      

Rechenterm  1200x3,2/3,33 1200x4,0/3,33     1600x2,1/4,14  1600x5,0/3,9

Tragkraft F2  115,3kg             144,1kg                 81,2kg              205,1kg.

Radlast           140,5kg            170kg                   106,5kg             230kg

Unterschied  25,2kg               25,9kg                    25,3kg             24,9kg       

 

 

Es springt ins Auge, dass die Federung in allen Fällen  rund 25kg weniger Tragkraft liefert als die Radlast!

Die Summe der Radlasten ist das Fahrzeuggewicht 494kg. Die Tragkraft der Federung aber 100kg weniger!

 

 

Widerspruch? Fehler? Ist die Federung zu schwach, um die Ente zu tragen?

 

d) Zusammensicht, Bilanz.

 

 Das scheinbare Problem löst sich aber auf.

Man muss sich nämlich bewusst machen, dass die Federung nicht das ganze Gewicht hochhalten muss. Sondern nur das, was sie anheben muss. Also nur das, was zusammensackt, wenn man die Spannstangen durchflext. Und nicht das, was von selbst auf dem Boden steht. Also hinten nicht das Rad samt Bremstrommel, Trägheitsdämpfer und dem radnahen Teil des Schwingarms.

 

Ich stelle eine Bilanz auf für das, was hinten von selbst auf dem Boden steht:

Rad bereift 125x400           10kg

Trägheitsdämpfer               6kg                            

Radnaher Schwingarmteil  9kg.

------------------------------------------------------------------------------------.

Summe „bodenständig“    25kg.

Die 9kg des radnahen Teils des Schwingarms sind hier nicht frei erfunden, sondern wirklich ( tricky?) gewogen. Mit dieser Idee: Indem ich den Arm samt Trommel mit Innenleben einseitig auf die Waage gelegt habe und die Achsseite des Schwingarms erhöht auf einer Kiste abgelegt.

7kg9.JPG

Vorn schätze ich den nicht zu tragenden Teil ebenfalls auf 25kg.

Es kommen zwar der Achsschenkel mit Bolzen und Radflansch, der Lenkhebel mit einem Teil der Spurstange sowie der äußere Teil der Antriebswelle dazu. Dafür entfällt aber die schwere Bremstrommel samt Innenleben.

 

Und das sind jeweils die rund 25kg, die die Federung nicht tragen muss und deshalb auch nicht liefert. Bilanz erfüllt und Federung verstanden!

 

e) Resümee:

Die Federung muss nicht das ganze Gewicht tragen, sondern um das vermindert, was nicht angehoben werden muss. Und was nur teilweise angehoben werden muss, zählt nur teilweise.

 

 

 

Diesen von der Federung nicht zu tragenden Teil nennt man wohl die „ungefederte Masse“.

 

Bei meiner 55er AZ trägt die Federung  rund 100kg weniger als ihr Gewicht. Bei Enten ohne Trägheitsdämpfer teilt sich diese Bilanz merklich anders auf, weil die ungefederte Masse dann kleiner ist.

Uli

 

 

 

 

 

 

 

 

Bearbeitet von ACCM Schwinn U.
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  • Danke 7
Geschrieben

Es war für mich wirklich spannend zu lesen, wie du die Überlegungen und Berechnungen des genialen Konstrukteurs A. Levebvre nachvollzogen hast und abschließend den Beleg mittels Vergleich am Naturmaß (= dein AZPO) erbracht hast,  Uli!

Vielen Dank für die Mühe, das komplexe Thema so anschaulich darzulegen.

PS: Vielleicht könnte der Admin deine vier Beiträge zu diesem Thema zusammenführen:

https://www.andre-citroen-club.de/forums/topic/125872-wellblechente-kr%C3%A4fte-der-federn-im-federtopf/

https://www.andre-citroen-club.de/forums/topic/125592-enten-l%C3%A4nge-der-schwingarme-und-hebelarme-der-spannstangen/

https://www.andre-citroen-club.de/forums/topic/125261-altenten-federung-neu-einstellen/

https://www.andre-citroen-club.de/forums/topic/127540-wellblechenten-federung-hebel%C3%BCbersetzungen-kr%C3%A4fte-bilanzen/

Habe ich noch einen übersehen?

lg

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