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Hydrauliker Vita


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Hydropneumaticker
Geschrieben (bearbeitet)

Es begab sich zu der Zeit als Marcus L. Landpfleger in Germanien war.

Vorwort
 
Am Anfang steht die Frage: Wie kam  ein normaler Autofahrer dazu sich einen französischen Wagen zu kaufen, und ausgerechnet ein Citroen D-Modell, mit dem man bei manchen Werkstätten mit der Schrotflinte vom Hof gejagt wurde?
Die Antwort ist vielschichtig, zuviel Geld, zu wenig Geld, auffallen um jeden Preis, geistige Umnachtung, jugendlicher Leichtsinn und dergleichen mehr..
 
Kapitel 1
Der / die erste DS19, Kauf und erste Eindrücke.
Es war in den „wilden“ 60zigern in Berlin, der Tiger im Tank bei Esso oder Shell kostete 55 Pfenning und die HU beim TÜV glaube ich 10,-DM (das weiß ich nicht mehr so genau).
In der Deutschlandhalle traten die Rattles als Vorgruppe für Chuck Berry auf, wozu eine ältere Passantin vor der Halle nach Konzertende sagte: „Heute waren lauter Verrückte hier“.
Die Lords spielten in einem Beatschuppen, so  hießen zu der Zeit die Diskotheken, am Tauentzien.
Die ledigen Frauen wurden damals mit Freundin oder Geliebte vorgestellt und nicht so beknackt wie heute, Lebensabschnittsgefährtin, welcher Hirni hat dieses Wort erfunden?
Jetzt sollte ich langsam zu Thema kommen, Citroen DS19.
Ich studierte also in Berlin (Amrumer Straße) die schwarze Kunst und arbeitete nebenbei bei Odilo, einem Trödler in Kreuzberg als Möbelwagenfahrer, kleiner Möbelwagen Tempo Matador oder sowas.
Die Wohnung war auch in Kreuzberg, erster Hinterhof, klingt nicht nach erster Adresse, war aber wegen der Berliner Wohnungs Zwangbewirtschaftung ein echtes Schnäppchen, Miete 52,-DM, für ein großes Zimmer mit Kachelofen, große Küche und welch ein Luxus Innentoilette.
Mein Auto war ein alter Opel Olympia Rekord, mit dem ich auch schon ein paar Schrauber Erfahrungen gesammelt hatte, ein Höhepunkt war der Zylinderkopfwechsel am Straßenrand in Köln, aber das ist eine andere Geschichte, kann ich vielleicht mal in einem Opel Forum schreiben.
Zurück zum Thema, auf einer meiner Möbeltouren sah ich auf einem der vielen Gebrauchtwagenplätze dieses große französische Monster stehen, Baujahr 1959 in Farbe Blanc Stellaire mit blauem Interieur.
Erster Eindruck nicht schlecht und der Preis 1000,-DM selbst für einen Studenten machbar.
Der Händler zierte sich auch nicht allzu sehr, also gekauft wie besehen.
Kurzer Rückblick auf die Eingangsfrage nach dem Warum, Antwort: bei mir  jugendlicher Leichtsinn.
Der Motor sprang ohne Murren an, nur  in der Mitte des Tachos leuchtete die berühmte rote Lampe, Null Druck, die Ursache war Behälter (LHS) leer. 
Der Händler war da ganz entspannt und sagte, da hinten steht ein großes Faß Hydrauliköl, nimm dir soviel du brauchst, na ja.
Gesagt getan, Behälter aufgefüllt, rote Lampe aus und flott vom Hof geritten. Ich weiß nicht mehr ob mit rotem Kz oder ohne, als Student nahm man das nicht so genau. 
Jedenfalls funktionierte Alles, Kupplung Bremsen Schaltung Lenkservo alles da und natürlich vollhydraulisch. Schrauber Erfahrung hatte ich, wie erwähnt mit Opel, Hydraulik konnte ich fehlerlos buchstabieren, das wars aber auch.
 Eine Kleinigkeit gab es aber vor der Zulassung zu erledigen, der Hirsch hatte keinen gültigen TÜV Stempel. 
Kein Problem, auf zum nächsten TÜV Stützpunkt, der war irgendwo in Tempelhof, ich glaube da ist er heute noch. 
Da stand ich dann in der üblichen Schlange, alles easy, bis einer der TÜV Burschen kam, sich über den großen Ölfleck unter dem Auto aufregte  und mich auch gleich vom Hof jagte.
Das Öl war natürlich Hydrauliköl, kam aus der Gegend des linken Hinterrades, Grund war eine abgegammelte Leitung am Bremsleitungs Drehgelenk. 
Die ersten D-Modelle hatten hinten noch keine Bremsschläuche sondern dieses Drehgelenk, das durch einen Hebel am Schwingarm betätigt wurde.
In Berlin gab es zu der Zeit zwei offizielle Citroen Werkstätten, Fandrich in Charlottenburg Quedlinburger Strasse (gibt es auch heute noch) und Kühnicke in Wilmersdorf, Heilbronner Straße in der Nähe des Eden Saloons.
Wilmersdorf war etwas dichter an Kreuzberg, also düste ich mit Opel, dem Zuverlässigen,  zu Paul Kühnicke, kaufte das Teil, eingebaut und wieder zum TÜV.  Die Jungs hatten sich inzwischen wieder beruhigt und das Weitere war dann erstaunlicherweise ohne Mängel zu schaffen.
Anmeldung und was so dran hing war auch bald erledigt und so fuhr ich nunmehr mit DS19 in Berlin herum.
An roten Ampeln machte es mir immer viel Plaisir die Hydraulik auf Hoch zu stellen und im Rückspiegel die  Köpfe der Hintermänner zu beobachten, die gingen parallel mit dem Auto in die Höhe und anschließend wurde dann wohl diskutiert.
Nach der TÜV Arie habe ich mir  von Bucheli „Querschnitt durch die Autotechnik“  gekauft und mich auch mit der Technik unter der Motorhaube beschäftigt.
Da gab es eine Menge ungewöhnliche Sachen zu sehen, Hochdruckpumpe, Niederdruckpumpe, zwei Zündspulen, zwei Unterbrecherkontakte mit Zündzeitpunktversteller am Armaturenbrett, Kupplungskorrektor, Schnellleerlaufkorrektor usw.
Bei Bucheli war alles so ordentlich beschrieben daß ich bald einigermaßen Bescheid wußte, Wissen ist Macht, wie wahr.
Außen herum war auch alles da, 2 + 2 Michelin X, die gab es auch runderneuert für 40,-DM.
In der weiteren Zeit zog ich ein paar neue Kabel ein und ersetzte ein paar poröse Gummischläuche durch Kunstoffschläuche unter anderem auch den Schlauch von der Niederdruckpumpe zum Hydraulikschaltblock. Das Letztere war nicht so die blendende Idee, denn an einem heißen Sommertag wollte die Kupplung nicht mehr so richtig und beim Blick unter die Haube sah ich dann, daß die Hitze und der Druck den Kunststoffschlauch schon auf das Format einer Wassermelone aufgepustet hatten, da baute ich dann blitzartig wieder einen dickwandigen Gummischlauch ein.
Der Vorteil der ganzen Hydraulikerei bei Defekten war, daß man immer sofort sah wo was undicht war und wenn man nichts sah konnte man es zumindest riechen, denn LHS roch etwas streng.
Im Lauf der Zeit stellten sich immer mehr unerklärliche kleine Zipperlein ein, hier ein Leck, da ein Leck.
Aus dem Hydraulikanschluß des Schaltblocks kam plötzlich ein dünner Strahl geschossen und mit dem automatischen Kuppeln war es aus, also wurde mit der Hand gekuppelt, dazu gab es unterhalb des Armaturenbretts einen kleinen Hebel, stand auch in der Bucheli Bibel. Die resultierende dünne Ölspur zog sich wie der Arianefaden durch halb Berlin.
Nach Demontage des Hydraulikanschlusses kam eine Dichtplatte mit  7 oder 8 winzigen O-Ringen zum Vorschein, einer war zerbröselt, daher der Ölstrahl, nach Ersatz der O-Ringe (Preis fast in Gold aufgewogen) war alles wieder ok.
Der Fahrkomfort war besser als im Opel, nicht wirklich berauschend, fiel mir aber nicht weiter auf.
Irgendwann leckte es dann wieder, diesmal am Vorderrad, Grund der Gummibalg des Federzylinders hatte die Konsistenz von Kaugummi und war eingerissen. Der Fehler trat dann regelmäßig alle paar Monate auf, wurde von mir ambulant z.B. während des Badens an der Spree in der Nähe des Reichtags erledigt, Madame lag in der Sonne und ich habe geschraubt, das war Arbeitsteilung.
Hin und wieder ging auch mal eine Federkugel kaputt, das konnte man hören, der Stickstoff pfiff durch die Leitungen und dann war Ruhe, na ja Federkugelwechsel war ja auch nicht so eine Auktion, ich drehte sie nach den ersten Hammer und Meißel Aktionen immer nur handfest ein.
Bei Kühnicke in Wilmersdorf war ich mittlerweile Stammkunde für Citroen Gummis, 2 Liter LHS Kanister und Federkugeln.
Zur Abwechslung gab es auch nichthydraulische Defekte, beispielsweise Zündaussetzer. Solange der Motor kalt war lief er rund, ab einer bestimmten Kühlwassertemperatur wurde die Zündung sehr unregelmäßig. Lange gesucht und nichts gefunden, bis eines abends schon im Dunkeln wieder das gleiche Theater. Ich öffnete die Haube und sah im Licht der Straßenlaterne einen feinen Wasserstrahl der im kühnen Bogen aus dem Heizungsschlauch genau auf eine Zündspule zielte. Da war es klar, Kühlwasser kalt, kein Druck, kein Wasserstrahl usw.
Im einem weiteren Fall jugendlichen Leichtsinns bin ich auch ein paar mal durch die DDR nach Hause (Ostfriesland) gefahren, ohne Pannen.
Eine weitere Fahrt durch die DDR mit dem gleichen Ziel endete allerdings chaotisch. Wir waren gut unterwegs, Madame hörte coole Musik, plötzlich wieder die rote Lampe, Null Druck, wohl gemerkt noch in der DDR.
Na ja, kein Problem, Haube auf und doch großes Problem. Die Anschluß der Leitung von der Hochdruckpumpe zu Hauptdruckspeicher war am Druckspeicher komplett abgebrochen (Vibrationen), mit Gewinde.
Selbstverständlich hatte ich einen Druckspeicher in Reserve und selbstverständlich in Berlin in meinem Keller Ersatzteillager.
Da habe ich erstmal auf dem Standstreifen gewartet und hin und wieder dem Daumen gehoben, hat aber keiner angehalten, die haben sicher alle gedacht Ogottogott Citroen, bloß die Riesenkiste nicht abschleppen müssen.
Dann kam doch tatsächlich auch ein Berliner D-Modell angedonnert, hat fröhlich gewunken und ist weiter gefahren, die von der EAV hätten sicher gesagt: „eingsperrt ghört der“.
Mit einmal kam derselbe Citroen nochmal angefahren, ja wie ging denn das, ganz einfach, der hat auf der DDR Autobahn (da gab es damals noch keine Mittelleitplanke) einfach zweimal gewendet, das war mutig von ihm, denn die VoPo hätte ihm bestimmt peinliche Fragen gestellt.
Wie auch immer, ist gut gegangen, er hat mich bis nach Helmstedt geschleppt, von dort habe ich meinen Vater angerufen, der hat mich mit seinem Ford 17M nach Berlin zurück geschleppt.
Das war ein Horrortrip, davon träume ich heute noch, unterwegs war ein dickes Gewitter, mein alter Herr ist zügig gefahren und in meiner Kiste ging außer der Handbremse natürlich gar nichts. Das hieß das Auto lag auf den Gummianschlägen, was wiederum hieß Federung wie auf einem superharten Trampolin und das über 150km auf AHs alter Autobahn.
In Berlin war alles wieder ganz einfach, Druckspeicher gewechselt, LHS ergänzt und ab in die BRD.
Als es mir dann mit der dauernden Federkugelwechselei zu bunt wurde brachte ich das Auto zu Firma Fandrich, die spülten das System reichlich, füllten neues LHS auf und bauten nochmal neue Federkugeln ein. Die Zufahrt zur Firma war ein schlecht asphaltierter Rübenacker und als ich das Auto dort abholte hat es mich fast umgehauen, es schwebte wirklich, das hatte ich bis dato noch nicht erlebt.
Die ganzen großen und kleinen Hydraulikdefekte waren eine Spätfolge des Hydrauliköls aus dem Faß des Gebrauchtwagenhändlers, da war zwar Hydrauliköl drin, aber kein LHS, sondern ein Öl für eine Baggerhydraulik.

Fortsetzung folgt.


Bearbeitet von Hydropneumaticker
Fehler, doppelte Textzeile
  • Like 11
  • Danke 4
  • Haha 1
Geschrieben

Wunderschön, sowas lese ich gerne. 
weiter so, bin gespannt wie ein Flitzebogen!

Geschrieben

Mehr Unterhaltung geht fast nicht, toll geschrieben. Die Geschichte kann man weiter empfehlen.

Geschrieben

Klasse! vielen Dank für die Niederschrift!

Sebastian

Geschrieben

Ja, wirklich wunderbar :-) Wir standen übrigens vor ca. 10 Jahren mal per E-Mail in Kontakt. Ich hatte sogar ein Foto von der 59 DS geschickt bekommen. Natürlich mit geöffneter Motorhaube am Straßenrand ;-)

Besten Dank und viele Grüße

Ralf

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