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DS als Kunst? Ausstellung in Paris ...


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Geschrieben

Der Kritiker Roland Barthes hat der DS in seinem Text „Mythen des Alltags“ ein Denkmal gesetzt; über ihn gibt es zur Zeit eine Ausstellung im Pariser Centre Pompidou, die noch bis zum 10. März zu sehen ist. Wenn der Besucher die Ausstellung betrete, so dazu kürzlich die Frankfurter Rundschau, treffe er auf die Welt, die Marx als ungeheure Warenansammlung bezeichnete und die Barthes 1957 u.a. in „Mythen des Alltags“ beschrieben habe.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht eine schwarze DS, die, so weiter die FR, „Barthes bekanntlich als magisches Objekt und Göttin (Déesse) bezeichnete. Das elegante Auto galt ihm ebenso als humanisierte Kunst wie die damals aufkommenden, pflegeleichten Haushaltsgegenstände aus buntem Plastik.“

Die DS als „humanisierte Kunst“, vergleichbar mit Plastik-Haushaltsgegenständen? Müsste man mal drüber nachdenken. Schade, ich hätte die Ausstellung gerne gesehen, aber Paris ist mir im Moment zu weit weg.

Gruß, Martin

Tobias Nolde ACCM
Geschrieben

Mist! Ich war am Wochenende in Paris und bin im Centre Pompidou vorbeigegangen! Ich Idiot...

Geschrieben

die DS I S T kunst, sogar anerkanntermassen in deutschland:

war am weekend in münchen und dort endlich in der pinakothek der moderne.

neben der modernen malerei (ab kandinsky und marc -- super!) gibt es ausstellungen für architektur, skulpturen und auch design.

und siehe da: im grossen "regal" einträchtig neben dem ur-porsche und einem ro80 "unsere" DS -- schön restauriert "ganz in weiss" ...

der besuch lohnt sich -- nicht nur ihretwegen!

bonne >> route

christian-h.

Geschrieben

@ Martin

Barthes kleinerText beginnt so: "Ich glaube, daß das Auto heute das genaue Äquivalent der großen gotischen Kathedralen ist. Ich meine damit: eine große Schöpfung der Epoche, die mit Leidenschaft von unbekannten Künstlern erdacht wurde...".

...und endet so: "Das Objekt wird vollkommen prostituiert und in Besitz genommen; hervorgegangen aus dem Himmel von Metropolis, wird die "Deesse" binnen einer Viertelstunde mediatisiert und vollzieht in dieser Bannung die Bewegung der kleinbürgerlichen Beförderung".

Auf einer jüngst stattgefundenen Veranstaltung der Rosa Luxemburg-Stiftung (in Berlin) zur Lage der Linken, meinte ein junger Röbel von Attac: Schon Marx hatte im Kapital eingangs bemerkt: Die Welt ist keine Ware! Bezogen auf Barthes semiologische Arbeit mit der marxschen Fetischismuskritik ist die FR-Interpretation vom >eleganten Auto als humanisierter Kunst< absolut kongenial.

Müßte man mal drüber nachdenken!

Gruß Werner

Geschrieben

Hallo Werner,

es ist sicher nicht so leicht, deine Zitatfolge zu interpretieren, wenn du nicht erklärst, aus welchem Zusammenhang sie stammt. Beim ersten Barthes-Zitat verschweigst du Wesentliches, nämlich den Gedanken, dass die "Schöpfung ... in ihrem Bild wenn nicht überhaupt im Gebrauch von einem ganzen Volk benutzt wird, das sich in ihr ein magisches Objekt zurüstet und aneignet". Zur Erinnerung: Mit der Schöpfung ist das Auto allgemein gemeint, also nicht unbedingt die DS; Barthes interpretiert es als Objekt, das sich Menschen eben als magisches Objekt aneignen - eine Interpretation, die bis heute stimmig ist, wenn wir uns darauf einigen, dass das Auto als Ware mehr als einen eindimensionalen Gebrauchs- und Tauschwert hat, nämlich eher als andere Waren deutlichen Fetisch-Charakter aufweist, was Fahrerverhalten wie Präsentation von Fahrzeugen in der Werbung usw. stets auf's Neue beweisen.

In deinem Schluss-Zitat hättest du entsprechend darauf verweisen müssen, dass Barthes hier beschreibt, wie sich Ausstellungsbesucher dem Fahrzeug nähern. Höchst interessant ist das nämlich, was er dabei beobachtet: Die Leute befingern das Auto, und "in den Hallen wird der Ausstellungswagen mit liebevollem Eifer besichtigt". Seine von dir zitierte Schlussfolgerung: Die DS wird auf diese Weise mediatisiert. Mir ist nur nicht klar, warum er in dieser Mediatisierung die Bannung der Bewegung kleinbürgerlicher Beförderung sieht und nicht auf die Vorsilbe "klein" verzichtet: Für mich hat das was mit typisch bürgerlicher Aneignung zu tun, nicht unbedingt mit kleinbürgerlicher. Die DS war in der Folge meiner Einschätzung nach übrigens eher ein bürgerliches als ein kleinbürgerliches Auto: Für's Kleinbürgertum war die DS zu progressiv (und zu teuer).

Und damit wären wir bei der Einschätzung der DS als humanisierter Kunst. Diese Interpretation stammt nicht von der FR, wie dein Beitrag suggeriert, sondern von Barthes selbst, denn er schreibt: "Es handelt sich also um eine humanisierte Kunst, und es ist möglich, dass die 'Déesse' einen Wendepunkt in der Mythologie des Automobils bezeichnet ... Offensichtlich tritt an die Stelle der Alchimie der Geschwindigkeit ein anderes Prinzip: Fahren wird ausgekostet."

Über Letzteres könnte man trefflich streiten: Macht das wirklich humanisierte Kunst aus - das Weg von der Leistung und das Hin zum Komfort? Ich seh meinen komfortablen C5 mit dem kleinen HDi-Motor mit ganz anderen Augen, nun etwa doch in der Tradition der DS???

Gruß, Martin

Geschrieben

Grüß` Dich, Martin,

Barthes These lautet: Beim avantgardistischem Autodesign der fünfziger Jahre habe man es mit dem genauen Äquivalent großer gotischer Kathedralen zu tun, zugleich aber auch mit humanisierter Kunst. Wie paßt das zusammen? Wo ein Abgrund klafft, der das Denken herausfordert, plaudert Rudolf Walter in feuilletonistischer Manier über alle Probleme hinweg. Der erste und der letzte von mir (der erste bewußt unvollständig) zitierte Satz aus dem Citroentextchen sollte darauf aufmerksam machen, daß die menschlichen Subjekte bei der modernen Autoproduktion eine marginale und anonyme Rolle zugewiesen bekommen, nicht aber bei der Aneignung der Automobile als Konsumenten: hier nehmen sie scheinbar eine zentrale Position ein. Zwischen beiden Thesen zur Position des Subjektes im geschwindigkeitsmaschinellen Raum, steht eine oft übersehene Dritte: "Die Deesse ist zunächst ein neuer Nautilus".

Kathedrale ist der neue Citroen in einem zweifachen Sinne. Einmal in dem Sinne, daß hier nicht mehr, wie beim antiken Künstler-Demiurgen, die individuelle Urheberschaft zentral ist ("diese schwarze Dionysos-Schale hat Eksekias gemacht"), sondern daß das Kunstwerk eine anonyme Epochenschöpfung ist, von unbekannten Künstlern erdacht. Zum anderen bezieht sich dieser Vergleich konkret auf die Ende der 50er Jahre in Mode kommenden vergrößerten Windschutzscheiben. Ist die gotische Kathedrale mit der Auflösung der tragenden Wand bezeichnet, so die DS durch eine neue Phänomenologie der Zusammenpassung, in der das wie nahtlos verschweißte Blech einer Preisung der Scheiben dient, was insgesamt den Eindruck einer Vergeistigung der schweren Materie hervorrufen soll.

"Die Scheiben sind hier keine Fenster mehr, keine Öffnungen, die in die dunkle Karosserie gebrochen sind, sie sind große Flächen der Luft und der Leere und haben die gleißende Wölbung von Seifenblasen, die harte Dünnheit einer Substanz, die eher insektenhaft als mineralisch ist. Es handelt sich also (!) um eine humanisierte Kunst, und es ist möglich, daß die "Deesse" einen Wendepunkt in der Mythologie des Automobils bezeichnet. Bisher erinnerte das superlativische Auto eher an das Bestiarium der Kraft". Der Topos "humanisierte Kunst" schillert, genau gesehen, nicht weniger, als die metaphorisch bemühten Seifenblasen, er ist zutiefst zweideutig: Gegenüber dem "Bestiarium der Kraft" handelt es sich, so Barthes, um eine humanere Formensprache. In Opposition dazu mag es Sinn machen, das Zivilisatorische an dieser Auto-Ästhetik zu betonen, und - für einen Moment - sogar den Komparativ fallen zu lassen. Daß die gleißenden Wölbungen von Seifenblasen aber "insektenhaft" (!) wirken, spricht für das genaue Gegenteil einer humanisierten Kunst. Die Ausbreitung des Insektenhaften in der Kultur wurde - parallel zur Ausbreitung der automobilen Geschwindigkeitsmaschine - seit dem ersten Weltkrieg im vorigen Jahrhundert mit einer gewaltigen Portion Angstlust zum Gegenstand von Kunst und Literatur gemacht: Ernst Jünger, der in seiner Schrift Der Arbeiter 1932 den totalen technischen Raum feierte, in dem der maschinelle, uniformierte, maskenhafte Typus Mensch das bürgerliche Individuum zu verdrängen versprach, war von den Phänomenen des Isektoiden begeistert. Ein anderer Entomologe, Franz Kafka, hatte die Drohung eines Zum-Käfer-werden-des-Menschen in seiner Erzählung Die Verwandlung (1912) mit blankem Entsetzen registriert. Adorno - der reflektierteste philosophische Seismograph des untergehenden bürgerlichen Subjekts - wird sich in seinen Jazz-Studien der 30er Jahre mit der Erscheinung der amerikanischen "Jitterbugs" beschäftigen, einer Tanzmusik, zu der lustvoll reflexhafte Bewegungen ausgeführt wurden, wie "zitternde, zappelnde Käfer". Ob gefeiert, oder betrauert: Am Insektoiden zeigt sich der Fall des bürgerlichen Subjekts, und da kein Revolutionäres in Sicht ist, das es als Proletarisches ablösen könnte, der Fall des Subjekts überhaupt. Meine These lautet: Barthes These von der humanisierten Kunst destruiert sich, gewollt oder ungewollt, selbst. Er behandelt die neue Mythologie des Automobils nicht, um sie zu bekräftigen, er führt sie vielmehr als Mythologie vor, in der Absicht, auch ihre neueste Wendung zu entzaubern: Dekonstruktion, nicht Denkmalpflege ist die vornehmste Aufgabe des Kritikers!

Der von Barthes eingangs seines Textes exponierte Gedanke von der kollektiven Aneignung als magisches Objekt, stellt sich mit Marx gegen ihn. Die von Marx, im Anschluß an Hegel dem Prozeß der gesellschaftlichen Arbeit zugrunde gelegte Logik der Entäußerung und bereichernden Wiederaneignung von Gattungspotenzen wird hier zitiert, und zugleich zurückgewiesen, indem der Angeignungsvorgang vom Arbeitsprozeß auf warenästhetisch hergerichtete Derivatgestalten des Zirkulationsprozesses, hier die Erscheinung eines Autos, verschoben wird. Das von Marx analysierte quid pro quo einer "konkreten" Welt von Gebrauchswerten und Arbeitsprozessen, die über die reelle Subsumtion im Hochkapitalismus den "abstrakten" Waren- und Fetischformen des Zirkulationsprozesses unterworfen wurden, erfährt im fordistischen Spätkapitalismus eine neuerliche Drehung: Der Produktionsprozeß (des Automobils) gewinnt anonyme, abstrakte Züge (Taylorismus), wohingegen das verdinglichte Produkt, an dem alle Prozesse seines Entstehens getilgt wurden, sinnlich-übersinnliche Qualitäten erhält: Das sinnliche Moment macht es a u c h (pseudo-) konkret. Das sinnlich-übersinnliche Ding par excellence, war bei Marx das Geld: Für Barthes ist diese magische Objektivität vom Geld auf ein technisches Produkt - gewissermaßen die marxische Gebrauchswertseite - übergegangen. Mit dem Topos von der (problemlos national aufladbaren) magischen Objektivität tastete Barthes phänomenologisch nach dem (und über das hinaus), was Benjamin vor ihm bereits als Phantasmagorie zu fassen suchte: nach den von einer "technischen Wertform" (K.-D. Oetzel) hervorgerufenen, und warenästhetisch gezielt manipulierbaren Vexierbildern, die die christliche >Metaphysik im Augenblick ihres Sturzes< (Adorno) beerben, indem sie die neue, technoide Formensprache des >Kapitalismus als Religion< (Benjamin) erlebbar, einzelne hochfetischisierte technische Produkte zum atemberaubenden "Erlebnis" machen. Der übersinnliche, wie vom Himmel gefallene technische Superlativ wird sogleich dem >prüfenden Ansturm< eines umfassenden sinnlichen Betastens durch das Publikum ausgesetzt. Dem mythisierenden Bestaunen mit dem Auge folgt das entmythisierende Betasten mit der Hand. Diese befummelnde Art der Aneignung unnahbar aussehender Übernatur kann schwerlich als gelungen bezeichnet werden, - gelungen im Sinne eines ernstlichen Fortschrittes der Humanisierung, Dem Terror der fetischistischer Gesellschaftlichkeit entsprungenen Übernatur ist nicht durchs ritualisierte, haptische Konsumenten-Erlebnis zu entkommen, die liebevoll gestreichelte Verdinglichung bedankt sich für solche Honneurs mit potenzierter Macht über ihre erotisierten Bewunderer.

"Die Deesse ist zunächst ein neuer Nautilus".

Die Nautilus ist das Unterwasserschiff aus dem mythologischen Roman "20.000 Meilen unter dem Meer", von Jules Vernes.

Barthes hat ein anderes Stück seiner "Mythen des Alltags" Jules Verne gewidmet. Es trägt den Titel: "Nautilus und Trunkenes Schiff". Dort wird der Charakter der Nautilus, und damit des neuen Wagens erläutert:

"Die Nautilus ist die ideale Höhle, und das Genießen der Abgeschlossenheit erreicht dann seinen Paroxysmus, wenn es möglich ist, aus dem Schoß dieses nahtlosen Innern durch eine große Scheibe das unbestimmte Außen des Wassers zu sehen und damit durch ein und dieselbe Bewegung das Innere durch sein Gegenteil zu bestimmen."

Der von Virilio beschriebenen militärischen Eroberung von Raum und Zeit durch das Automobil, wäre Foucaults Theorie "heterotoper Räume" zur Seite zu stellen. Es handelt sich um Räume, die mehrere Funktionen erfüllen. Das Auto ist nicht nur aggressives Geschoß, es birgt auch seine Insassen. "Mein Ford ist meine Heimat", bemerkte Brecht aus seinem Exil in Schweden. Der Innenraum des Wagens ist Privat- oder Intimsphäre. Als Vehikel ist das Automobil öffentlich, als Raum hingegen privat. In der Entwicklung der Automobilproduktion in eine Richtung, für die der neue Citroen ja nur ein herausgehobenes Beispiel ist, findet Barthes ein "genaues Äquivalent" zu den Phantasien eines Vehikels, das Einschließung und Geborgenheit einerseits, Bewegung und strategische Macht andererseits, in sich vereinigt. U-Boote sind Autos auch bezüglich der Abschottung von Kommunikation nach außen, woraus nicht zuletzt die Aggressivität der Autofahrer, ihre Anfälligkeit für Regressionen während des Fahrens herrühren dürfte. (Micha Hilgers: Total abgefahren - Psychoanalyse des Autofahrens. Freiburg u. a. 1995).

"Citroenthusiasmierte" Götzendiender des Technikfetischs vergessen allzu schnell, daß Barthes von einem m ö g l i c h e n Wendepunkt in der M y t h o l o gi e des Automobils gesprochen hat. Barthes war Denker, und kein pseudophilosohischer Werbeträger, der "unserer Marke" ein "Denkmal" setzen wollte. Wollte man einige seiner kritisch gemeinten Wendungen durch selektive Lektüre ontologisch mißverstehen, so wäre anzumerken, daß alles angeblich zum Vorteil eines bestimmten Wagens einer Marke Gesagte, heute für die Mehrzahl der Wagentypen fast aller Marken gelten müßte. Die "Citroenthusiasten" könnten sich dann genauso gut eine Familienkutsche von Opel anschaffen, und Barthes wäre ein rechter Einfaltspinsel, der bedauerlicherweise noch nicht der Vergessenheit anheim gefallen ist.

Gruß Werner

ZX volcane Automatik
Geschrieben

Hallo!

Steht eine DS nicht als einziges Auto im Metropolitan Museum of Modern Art

in New York?

MfG

Wolfgang

Geschrieben
ZX volcane Automatik postete

Hallo!

Steht eine DS nicht als einziges Auto im Metropolitan Museum of Modern Art

in New York?

MfG

Wolfgang

Barthes ist der Pathologe der 50er Jahre, nicht ihr wohlwollender Chronist!

Geschrieben

Hallo Werner,

für eine umfassende Antwort auf deinen Beitrag Nr. 005 bräuchte ich Zeit - so viel hab ich aber nicht, denn es gibt noch ein Leben neben dem hier im ACC-Forum. Deshalb nur ein paar kurze Anmerkungen:

Deine Hauptthese heißt: Barthes "behandelt die neue Mythologie des Automobils nicht, um sie zu bekräftigen, er führt sie vielmehr als Mythologie vor, in der Absicht, auch ihre neueste Wendung zu entzaubern: Dekonstruktion, nicht Denkmalpflege ist die vornehmste Aufgabe des Kritikers!" Du könntest Recht haben, aber ich betone den Konjunktiv.

Einmal schreibt er immerhin wörtlich von der humanisierten Kunst im Zusammenhang mit der DS. Das Wort steht nun mal da, und er schreibt es nicht hin, um es zu hundert Prozent wieder zu revidieren, auch wenn er in der Tat lediglich die Möglichkeit einer neuen Mythologie sieht. Wenn wir uns einig sind, dass es immer noch stimmt, dass es kein richtiges Leben im falschen (besser: Falschen) gibt, dann könnte ja die DS wenigstens in die richtige Richtung gewiesen haben ... Deshalb hab ich ja auch geschrieben, dass es kein Auto für Kleinbürger war, denn die haben es sich im falschen Leben doch gemütlich eingerichtet und finden das richtig. - Dein Satz zur Denkmalpflege bleibt natürlich unwidersprochen, obwohl ... es gab auch Leute, die sich als Kritiker verstanden haben und dabei Denkmalpflege betrieben haben; ich meine damit die Frühromantiker wie Novalis oder Schlegel, aber Barthes kann man natürlich nicht in dieser Tradition sehen.

Zum anderen bin ich mir nicht sicher, ob deine Interpretation des Insektenhaften stimmig ist. Barthes grenzt die insektenhafte Substanz der Scheiben von von einer ab, die eher mineralisch ist. Diesen Gegensatz sollte man sehen. Insekt als Metapher in dem von dir beschrieben Sinn? Ich setze ein Fragezeichen, weil ich mir nicht sicher bin, zumal Franz Kafka, Ernst Jünger und Theodor Adorno nun wirklich in unterschiedlichen Zusammenhängen Insekten bemühten.

Und abschließend komme ich denjenigen entgegen, die zu Recht darauf verweisen, dass die DS im Museum gelandet ist. Ich verbinde das mit einer These: Die DS ist letztlich gescheitert. Sie ist in Museen gelandet, was gut und schön und berechtigt ist, aber sie ist nicht weiter (in Richtung humanisierter Kunst) entwickelt worden, wie CX, vor allem aber XM und C5 gezeigt haben. Jedes neue Modell hat ein Stück des Unkonventionellen weggenommen, aus welchen Gründen auch immer - vielleicht geht das auch gar nicht, auf einen avantgardistischen Entwurf einen weiteren folgen zu lassen. Wäre das Auto als Idee nicht gescheitert, wir hätten die nostalgischen Diskussionen z.B. hier im Forum zu den immer belangloser werdenden Cits nicht.

Und deshalb sehe ich auch den Citroënthusiasmus gelassen: Geh doch mal davon aus, dass er im Wesentlichen von der Faszination DS lebt und nicht der etwa bloßer Distanzlosigkeit als Obrigkeitshörigkeit geschuldet ist ... Mich hat dieses Auto als Kind ungemein beeindruckt, so'n Auto wollte ich auch unbedingt mal fahren. Na ja, mein erster Schweber war dann ein BX ...

Gruß, Martin

Geschrieben

Hallo Martin,

Verdinglichung heißt: Gesellschaftliche Verhältnisse stellen sich gegenständlich, als Dinge dar. Kritik an ihr heißt: Am verdinglichten Objekt werden die dem Bewußtsein entzogenen, versteinerten menschlichen Verhältnisse als solche freigelegt, in der Perspektive ihrer Humanisierung. "Das Objekt", das prima vista wie "humanisierte Kunst" erscheint, wird "binnen einer Viertelstunde mediatisiert (= verdinglicht! (Habermas)) und vollzieht in dieser Bannung (Verdinglichung, W.N.) die Bewegung der kleinbürgerlichen Beförderung" - ins Museum!

Gruß Werner

Geschrieben

... womit sich, trotz manch anderer Auffassung und diverser Fragezeichen, die für mich bleiben, der Kreis geschlossen hat.

Aber zum Schluss noch ne Frage an Werner, die jenseits der Theorie angesiedelt ist, falls das überhaupt so einigermaßen geht: Wie empfindest du ganz persönlich die DS (als Auto oder als Mythos oder als Kunstwerk)? Ich rechne mit einer nicht-enthusiastischen Antwort.

Gruß, Martin

Geschrieben

Hallo, Martin,

Enthousiasmos - das kommt aus der dionysischen Mystik und meint einen Zustand der Gotterfülltheit: en theos - in welchem Gott ist. Diese Gottesfülle bedeutet eine Lebenserhöhung, die den Menschen zu Worten und Taten hinreißt, zu denen er von sich aus nicht mächtig wäre. Religiöses Pathosvokabular hat die Popkultur vom Faschismus - der ja selber auch als eine politisierte Popkultur betrachtet werden kann - übernommen. Goebbels adelte das Wort "fanatisch": fanatische Nationalsozialisten, fanatische Kämpfer für das deutsche Volk, fanatischer Einsatz zur Rassereinhaltung = Judenvernichtung. Dieses Wort war nach dem Krieg dann verpönt, dafür machte das Wort Fan Karriere. Fan, fanatisch, Faszination, Faschimus, das ist eine Wortsippe, die sich von faszes ableitet, dem Abzeichen der altrömischen Liktoren. Es bezeichnet ein Rutenbündel, mit einem Beil. Fanatiker, Faschisten und Fans - sie alle sind dem strikten Wortsinne nach "Gebundene" -sie sind bereit auf Individualität zu verzichten, zugunsten der Einordnung in ein vermeintlich höheres Ganzes. Sie verlangen Opfer, und Opferbereitschaft macht den guten Fan aus. Fankultur ist sozusagen der Bereitschafts- und Schulungsraum für faschismuskompatible (Selbst-)Zurichtung. Als Captain Willard in Apocalypse Now das von ein paar verrückt Gewordenen gehaltene Außenlager im Dschungel erreicht, trifft er auf einen bekifften Schwarzen im Graben, der diese Hölle offenbar nur mit Musik von Jimmy Hendrix aushält. Ich bewundere das Spiel von Hendrix, es ist Aufbegehren, Rebellion darin, und Martin Sheen hat sich ja jetzt gegen den Bush-Krieg gestellt. Trotzdem habe ich große Vorbehalte gegen Hollywood und die gesellschaftliche Funktion von Pop. Ich möchte kein Fan sein, weder von Schubert (den ich sehr liebe), noch von Hendrix. Weder der Filmindustrie ergeben, noch einer Automarke. Das Verhältnis des Stars zur Fangemeinde ist exakt das von Führer zur Gefolgschaft. Es ist eine gewollte Regression, die von den Regredierenden als Entlastung und Bereicherung ersehnt wird. Die DS finde ich einfach nur ein außergewöhnlich gelungenes Auto.

Schade, daß Du nicht weiter diskutieren möchtest. Mein Vorschlag wäre, sich den Mythosbegriff von Barthes genauer anzusehen. Die 54 Stücke mit dem Citroentext sind journalistische Gelegenheitsarbeiten gewesen. Die hatte Barthes mit einem Stück Theorie zusammen als "Mythen des Alltags" herausgegeben. Barthes wollte den Kunstmythos gegen den Mythos in Stellung bringen, weil Aufklärung mit dem mythischen Bedürfnis nicht fertig wird. Frage: Wird hier im Forum artistisch mythisiert, oder....

Wenn Du hier ein Bleiben haben willst, mußt Du jetzt gut aufpassen was Du sagst!

Gruß Werner

Geschrieben

Hallo Werner,

ein Missverständnis: Ich bin davon ausgegangen, dass du mir zugestimmt hast, was das Ende der DS im Museum angeht, und deswegen hatte sich (für mich) zunächst mal ein Kreis geschlossen. Ein Ende der Diskussion war nicht intendiert, obwohl es auch Argumente dafür gibt:

Ich gebe nämlich zu bedenken, dass wir den Raum beachten sollten, in dem wir uns gerade bewegen: Wir sind in einem Autofahrerforum und haben bereits begonnen zu monologisieren (obwohl es formal betrachtet ein Dialog ist). Insofern gehe ich davon aus, dass eine Diskussion über den Mythos-Begriff für die Leser nicht so sehr spannend wäre.

Für mich kommt noch ein Problem hinzu: Die Debatte, so spannend und gewinnbringend sie auch ist, erfordert Zeit, und die habe ich nicht in dem Ausmaß, das erforderlich wäre. Der Technik-Small-Talk ist schnell dahin geschrieben, aber zu Barthes oder Adorno (in unserem Zusammenhang sehr empfehlenswert, ich denke z.B. an manche Sentenzen in "Minima Moralia") oder auch Ernst Bloch (auch in unserem Zusammenhang gewinnbringend) kann ich nicht in 5 Minuten durchdachte Statements abgeben.

Es gäbe im Anschluss an sich so viel zu debattieren, aber ich habe aktuell noch nicht mal Zeit dazu, auf das einzugehen, was du zur Fan- oder Pop-Geschichte im Zusammenhang mit Faschismus (F. war einer meiner Studienschwerpunkte) schreibst: Das ist mir nämlich - wie neulich schon mal im Zusammenhang mit der Zensurdebatte, bei der ich deinen Ton nicht nachvollziehen konnte - z. T. zu mechanistisch, oder, wenn du so willst: zu wenig dialektisch, weil zu eindimensional gedacht. - Ein Problem deiner Statements hier ist, dass du so viele Nebenthemen anschneidest, über die man stundenlang debattieren könnte ... aber es ist so, wie ich gesagt habe: Ich muss jetzt für meinen Beruf was arbeiten, denn es stehen unweigerlich Termine bevor, die ich vorbereiten muss, ob ich will oder nicht ...

Gruß, Martin

Ach so, noch eine Bemerkung zu deinem letzten Satz: So schnell wird man nicht exkommuniziert; ich habe hier immer das geschrieben, was ich will, und das längst nicht immer im Mainstream - der liegt mir nämlich nicht.

Geschrieben

Hallo Martin,

Du hattest einen Einwand gegen die Auffassung von der kleinbürgerlichen Aneignung vorgebracht. Die DS sei doch in aller Regel nicht vom Kleinbürgertum gekauft worden. Das ist wohl richtig. Aneignung ist hier aber im Hinblick auf Mythenbildung gemeint, und die geschieht im ganzen "Volk".

Der Mythos Mercedes z.B. funktioniert doch auch so, daß die besten Wagen den Betuchten gehören, die Marken-Aura aber das ganze "Volk" ergreift. Der Stararchitekt, der im nagelneuen Mercedes auf den Bau fährt, wird vom Polier bis zum türkischen Hilfsarbeiter, mitsamt seinem Mobil, "Beförderung" erfahren. Der Hilfsarbeiter ist Proletarier, der freischaffende Architekt Unternéhmer. Der Traumkitsch Mercedes aber ist ein über diese Differenzen hinweg alle Schichten ergreifendes Phänomen. Ein kleinbürgerliches Phänomen der Angestelltengesellschaft. Daß die aggressive Demonstration von Klassendifferenz den Effekt der scheinbaren Klassenlosigkeit erzeugt, alle als Enhusiasten einer Renommier-Marke wieder gleich macht, ist der Effekt eines Mythisierungsvorgangs. Schelsky sprach in den 60ern mythisch von der nivillierten Mittelstandsgesellschaft (Krakauer in den 30ern von einer Angestelltengesellschaft). Diese mythische Mitte ist nicht die klassenanalytisch ermittelbare Mitte; sie wird nach WK II nicht unwesentlich durch die Sprache der Automobile erzeugt. Man kann zeigen, daß die westlichen Gesellschaften kulturell und ideologisch Kleinbürgergesellschaften sind. Den Maßstäben, Wünschen, Ängsten, Bedürfnissen des Kleinbürgertums hat sich alles zu unterwerfen, auch diejenigen, die über ihm stehen, wie der Unternehmer mit Bonzenauto. Das fürs Kleinbürgertum nicht erschwingliche Luxusauto spricht die Kleinbürgerwünsche an, macht das Kleinbürgertum beherrschbar. Proletarier, Angestellte, Lohnsklaven also, verschulden sich für einen kleinen Mercedes, durch den sie imaginär mit dem mercedesfahrenden "Selbständigen" auf gleicher Stufe stehen. Götter sind immer fürs ganze "Volk" zuständig - auch in Frankreich. Und das "Volk" ist dort, in den 50er Jahren, eben kleinbürgerlich.

Gruß Werner

Geschrieben

Hallo, Martin,

ich habe Zeit, auf die versprochene Durchdialektisierung des Faszinationskomplexes zu warten. Ich lasse mich immer gerne korrigieren, auch widerlegen, wenn ich da was bei dazulernen kann.

Mit mechanistischen Grüßen

Werner

Holger Schulzen
Geschrieben

Ihr seid mir ja zwei Fachsimpler! Für einen in dieser Hinsicht sicher etwas ungebildeten Menschen wie mich, der sich bei dir schon wegen deiner Ausdrucksweise (Werner) beschweren musste, wart ihr diesmal viel verständlicher; v.a. schriebt ihr auch interessanter als in der "Zensurdebatte".

Werner, hättest du evtl. auch Interesse einmal in diesem sozialwissenschaftlichen Stil auf den neuerdings so gewichtig gewordenen Begriff "PREMIUM" einzugehen? Gerne auch als Monolog, falls es aus Zeit- oder anderen Gründen an einem geeigneten Gesprächspartner mangelt.

Jetzt finde ich offensichtlich Gefallen an dieser - aus meiner Sicht ganz anderen, allerdings manchmal, wie mir scheint, weit ausholenden und abstrakten Auseinandersetzung mit automotiven Themen.

Also, ich bin schon ganz gespannt. Wenn dich dieses Thema nicht interessiert, Werner, dann ist es auch ok. :)

Geschrieben

Geht der jetzt unter sein Niveau, oder ist das bereits sein Niveau?

Ein leises Nichts will sich laut machen, und es wird lauter nichts!

Ernst Bloch

Holger Schulzen
Geschrieben

Ja,ja, jeder muss mal pfurzen!

Holger

Geschrieben

Der Kopf ist leer, nur der Tank ist voll!

Geschrieben

Für alle die den Fortgang des Dia/Monologes nicht weiter verfolgen möchten (zu eisige Winde auf diesem Extremniveau), hier (verschlüsselt) ein Ergebnis vorab:

hcilgöm nregnägßuF retnu run tsi eitarkomeD

Spannend bleibt die Frage wie es weitergeht in der artistischen Auseinandersetzung: Kunstmythos vs. Mythos

Und was gibt es neues aus dem Bereich der Fankultur? (konnte Stalin besser singen als Dylan? muß man deshalb Moskau lieben?)

Harre aus magoo, leises Nichts.

à propos niveau:

"..die DS vollzieht in dieser Bannung die Bewegung der ... Beförderung."

Ach was?

Loriot

Geschrieben

[-]Sehr geehrter Herr Schulzen!

Ich habe mir mal angeschaut, was Sie so produzieren. Diese endlos-immergleiche Kaffeesatzleserei um Automobilmarken und Typen, - sowas durchlaufen entwicklungsfähige Jungs während ihrer Pubertät in wenigen Jahren. Dann liegt das hinter ihnen. Da Ihren Beiträgen zu entnehmen ist, daß Sie sich schon in einer deutlich fortgeschrittenen Lebensphase befinden, haben Sie die Reife der intellektuellen Entwicklung offenbar nie erreicht, die erforderlich ist, um sich an einer Diskussion auf dem vorgegebenen Formniveau angemessen zu beteiligen zu können. Ihre völlig unkonditionierten Ausfälligkeiten erinnern mich an Fehlentwicklungen, wie man sie auch aus der Botanik kennt: Früchte, die faul werden, bevor sie reifen konnten. [/-]

Geist ist ein Gut, dessen Mangel man nicht empfinden kann.

- Friedrich Schlegel -

[-]Da ich Sie nicht für satisfaktionsfähig betrachte, erteile ich Ihnen mir gegenüber alle Narrenfreiheit, deren Sie bedürfen, um ihr schwaches Ich vor dem Kollabieren zu bewahren.

Sollte Ihr Leiden hierdurch einige Linderung erfahren, so würde mich das aufrichtig freuen. [/-]

Mit den besten Wünschen

Werner Nees

******

Anmerkung Admin:

Sorry, so nicht. Siehe Bemerkung weiter unten. Die Passagen werden alsbald gestrichen. ///Stephan.

Geschrieben

Der sich selbst vergottende Pausenclown dieses Forums vollzieht gerade in seiner Selbstbannung die Bewegung seiner kleinbürgerlichen Beförderung. Gottes Segen mit ihm!

DirkPinschmidt
Geschrieben

Die Wahrheit ist ein Kaugummi in meinem Mund.

Dirk

Geschrieben

Werner et alii, keine persönlichen Anfeindungen bitte, ok? Persönliche Probleme werden woanders diskutiert oder direkt per email ausgetauscht, das ACC-Forum bietet dafür allerdings keine Bühne.

Danke. ///Stephan.

Geschrieben

bewegte Beförderung im Original:

> partie du ciel de Métropolis, la Déesse est en un quart d'heure médiatisée, accomplissant dans cet exorcisme, le mouvement même de la promotion petite-bourgeoise. <

(Roland Barthes)

Gast
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